Karen Duve: Anständig essen

duve_anstaendigIch habe noch nie ein Sachbuch verschlungen. Quergelesen, angelesen, durchgeblättert, immer mal wieder ein Kapitel gelesen – das schon. Aber Karen Duves Selbstversuch „Anständig essen“ konnte ich nicht aus der Hand legen. Nun schreibt Frau Duve sonst Romane und weiß genau, wie sie Leser bei Laune hält. Aber man liest das Buch auch deshalb gern, weil sie einem nichts vorschreibt. Der moralische Zeigefinger zeigt stets auf die Autorin und nie auf den Leser. Es geht um ihr eigenes Verhalten. Um ihren Weg zu einem anderen Ess- und Konsumverhalten.

Auf Duves Einkaufszettel standen vor Beginn des Experimentes vor allem unmengen Cola-Light, Schokolade, Hähnchengrillpfanne und andere Fertigprodukte. Selbstironisch und mit spitzer Zunge dokumentiert sie ihren Versuch, in vier Etappen korrekter zu essen: Erst mal nur Bioprodukte kaufen, danach vegetarisch essen, dann vegan und zuletzt ernährt sie sich frutarisch, isst nur, was die Natur freiwillig hergibt – also Früchte und Nüsse. Jede Phase dauert mindestens zwei Monate.

Duve nimmt den Leser mit zum Einkaufen, zu Interviews, zu Familienessen, in Massentierställe und zu Hühnerbefreiungsaktionen. Dabei ist ihr Blick auf die Welt stets ein bisschen böse, egal wohin sie schaut. Sie denkt nicht daran, irgendetwas zu beweihräuchern. Über die Bio-Branche schreibt sie zum Beispiel: „Da Bio boomt, sind die Biolandwirte nicht mehr allesamt vollbärtige Idealisten, die ihre Schweine tätscheln, sondern es gibt auch dort Profitmaximierer, die gesetzliche Spielräume bis zum Anschlag ausreizen.“

Aus ihren Recherchen und Überlegungen folgt: Massentierhaltung ist unverantwortlich – egal ob konventionell oder Bio.

Aber sie betreibt keine Prinzipienreiterei: Sie hat nun mal Hühner und wirft deren Eier nicht weg, nur weil Veganer prinzipiell keine Eier essen. Die Katzen verweigern das vegane Futter? Also bekommen sie weiter „Qualfleisch“. Die Ökogummibärchen schmecken ihr nicht? Dann kauft sie eben doch Haribo, aber vielleicht nicht mehr so oft.

Zum Schluss noch ein lustiger Satz aus dem Buch zum Thema Evolution und der Frage „we are the champions?“: „Die Evolution läuft aber weder einspurig noch zielgerichtet. Sie ist keine lange Straße, auf der ein Fisch entlangrobbt, der sich langsam in eine Amphibie verwandelt, die allmählich Fell und Pfoten entwickelt und sich immer mehr aufrichtet, bis am Ende ein übergewichtiger Teenager mit einem Doppelwhopper in der Hand und dem neuesten iPod am Ohr den Zieleinlauf erreicht.“

Aber lest einfach selbst, ich kann es nur empfehlen.

Karen Duve, „Anständig essen: Ein Selbstversuch“, Verlag Galiani Berlin 2010, 19,95 Euro

Übervaleska

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